Es ist ein absolut dramatisches Ereignis: Am 19. November 1946 verlieren die Piloten eines amerikanischen Flugzeugs in Wolken fliegend völlig die Orientierung in den Alpen. Plötzlich kracht die Maschine mit etwa 250 km/h auf den Gauligletscher inmitten der Schweiz. Tiefer Schnee bremst den brutalen Aufprall, so dass wie durch ein Wunder lediglich ein Mitglied der Besatzung ernsthaft verletzt ist. Die Besatzung hat allerdings keine Ahnung, wo sie sich befindet, kann aber zumindest Notrufe absetzen. Die amerikanischen Streitkräfte suchen zunächst im französischen Teil der Alpen, wo sie die vermisste Douglas C-53, eine Militärvariante der berühmten DC-3, vermuten. Tatsächlich kommt die Zweimotorige aber weit vom Kurs ab. Erst am 21. November wird das Wrack mehr zufällig auf dem Gauligletscher in rund 3000 Meter Höhe entdeckt. Bergretter und Soldaten machen sich zu Fuß von Meiringen aus auf den Weg und erreichen das Wrack. Ein Abstieg noch am gleichen Tag ist aber wegen der Erschöpfung der Helfer unmöglich. Am nächsten Morgen die Überraschung: Militärpiloten tauchen mit zwei Flugzeugen vom Typ Fieseler Storch auf. Sie wagen mit den auf Ski umgerüsteten Storch-Fahrwerken eine Landung auf dem Gauli nahe der Rettungsmannschaft. Es gelingt ihnen, alle zwölf Überlebenden auf den Flugplatz Meiringen-Unterbach in Sicherheit zu fliegen. Das Geschehen erregt damals weltweites Aufsehen und gilt heute als Beginn der modernen Luftrettung im Hochgebirge. Die auf dem Gletscher zurückgelassene DC-3 wird schon kurz nach der Rettung ihrer Passagiere völlig zugeschneit und verschwindet immer tiefer im Eis des Gauligletschers. Erst vor einigen Jahren entdeckten zwei junge Bergwanderer plötzlich einen Propeller der Maschine, den das schmelzende Eis freigegeben hat. In den letzten heissen Sommern gab der Gletscher aber nun so viele Teile der verunglückten Maschine frei, dass sich die Schweizer Armee zu einer regelrechten Aufräumaktion entschloss. Deshalb begann die Luftwaffe mit der Bergung von entdeckten Teilen des Wracks. Bis zu zwei Tonnen Material, darunter ein nahezu kompletter Sternmotor, Teile der Tragfläche, Kleinteile und ein Propeller wurden gefunden. Der Gletscher hat sie in den 72 Jahren (2018) rund drei Kilometer von der Absturzstelle wegtransportiert. Helikopter fliegen die Trümmer jetzt ins Tal. Dort werden die Wrackteile katalogisiert. Möglicherweise sollen sie in ein Museum gebracht und dort ausgestellt werden, da der Unfall vor 72 Jahren weltweites Aufsehen und enormes Medieninteresse erregte. Die Amerikaner wollen die gefundenen Teile jedenfalls nicht zurück. Sie hatten das Wrack nach dem Absturz der Schweiz kurzerhand geschenkt. Damit ist die Geschichte um das „Wunder vom Gauli“ aber noch nicht zu Ende: Einer der beiden damals an der Rettung beteiligten Fieseler Störche wurde in den vergangenen Jahren wieder flugfähig restauriert. Er soll nahe dem einstigen Absturzort abermals landen, sobald Schnee- und Wetterverhältnisse passen, und damit die einstige spektakuläre Rettungsaktion wieder ins Bewusstsein der Menschen bringen.
Quelle: Jürgen Schelling
DC-3 Gauligletscher